Ein Kommentar von Dr.Friedrich Glasl über den Exodus von Fachpersonal

Die Besten gehen zuerst

Kolummne aus der Zeitschrift Finanzen 04/2000

 


Dass Jubel und Jammer oft eng beeinander liegen, gilt für keine Branche mehr als für die Hightech-Unternehmen. Nicht selten feiern sie einen erfolg nach dem anderen, verdoppeln ihren Umsatz von Jahr zu Jahr, sehen ihre Aktienkurse von Höchststand zu Höchststand eilen.
Und doch klagen sie Stein und Bein! Worüber? Dass ihnen die besten Mitarbeiter davonlaufen. Die durchschnittliche Verweildauer eines Mitarbeiters beträgt bei Hightech-Unternehmen wenig mehr als ein Jahr.
Der Exodus hochqualifizierter Arbeitnehmer aus Regionen und Länder mit relativ niedrigen Gehältern in jene mit höheren Gagen ist zu einem Großteil die Schuld kurzsichtiger Unternehmenspolitik. Gewiss: Das führen rasch wachsender Firmen ist schwierig - noch dazu in einer Branche, die aufgrund rasanter technologischer Neuerungen unter einer ständigen Verkürzung der Halbwertzeit des Wissens leidet.
Gutes Managment erfordert mehr als schnelles Agieren und Reagieren; anstelle hektischen Aktionismus´ sind vorausschauendes Denken und nachhaltiges Handeln gefordert. Vor allem aber muss sich das Managment der Besonderheiten der Hightech-Sparte bewusst werden: Knowhow-intensive Unternehmen sind als "professionelle Organisationen" anders als eine "Produktorganisation" oder eine Routine-Dienstleistungsfirma zu führen.
Der wichtigste Erfolgsfaktor eines Hightech-Unternehmens sind dessen Mitarbeiter: Sie bringen ihr kostbares Wissen ins Unternehmen ein. Damit sie dieses Wissen jedoch auch ausspielen können, benötigen sie Arbeitsbedingungen, die ausreichend Raum für kreatives, eigenverantwortliches Handeln garantieren. Am besten arbeiten diese "Professionals" in einem von Autonomie und Unabhängigkeit geprägten Umfeld. Der Part der Chefs: sicherstellen, dass das individuelle Wissen kontinuierlich stimuliert und entwickelt wird und dem Unternehmen zugute kommt. Mit anderen Worten: die passenden Rahmenbedingungen für Organisationslernen schaffen.
Ein "lernendes Unternehmen" kann nicht wachsen, wenn Mitarbeiter, wenn Mitarbeiter durch Halbinformationen gegeneinander ausgespielt, abhängig gemacht oder mit kleinelichen Reisekostenabrechnungen und Anwesenheitskontrollen misstrauisch gegängelt und bevormundet werden. Wissen und Motivation blühen und gedeihen nur dort, wo gegenseitiges Vertrauen praktiziert wird und wo eine Unternehmen ständig Vertrauensvorschüsse gibt. Die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, ist dann die Antwort der Mitarbeiter.
Da sich viele Unternehmen einseitig auf den "Shareholder Value" ausrichten, hat sich indes eine Mentalität des Kaufens und Verkaufens breit gemacht: "Ich kaufe aktuelles Know-How ein, nutze es ab", lautet alzu oft das Motto. Das Managment investiert weniger in unternehmensinterner Weiterbildung. Personalentwicklung wird zunehmend "outgesourct" und nach Bedarf eingekauft. Denn Kow-how scheint käuflich zu sein, ein beliebig variable Kostenfaktor.
Mitarbeiter spüren aber sehr wohl, ob sie als Wegwerfartikel behandelt werden oder als Partner, die dank Weiterbildung und -entwicklung persönlich gewinnen. Die stetige Investition in Personalentwicklung ist daher einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren einer professionellen Organisation.
Das schließt finanazielle Anreize nicht aus: Einige Unternehmen beteiligen ihre Mitarbeiter, um sie zu binden. Solch finanzielle Anreize sind gewiss wirksam, allerdings nicht allein ausschlaggebend für den Verbleib in einem Unternehmen. Sieht ein Mitarbeiter nur begrenztes Entwicklungspotenzial, kann seine Treue auch mit teurem Geld nicht erkauft werden.
Die Folge: Er geht.

 
   

zurück